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Vorsorgevollmacht

2020-02-14|13:12 · von Dr. Helmut Graupner

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(c)Depositphotos/MicroOne

Seit jeher ist es vielen Paaren ein Anliegen, für den Fall vorzusorgen, dass ein/e PartnerIn einmal (etwa nach einem Unfall) nicht mehr selbst entscheidungsfähig ist. Dann sollen nicht Fremde sondern der/die PartnerIn Entscheidungen treffen können. Dazu dient eine Vorsorgevollmacht.

 

Besteht keine Vorsorgevollmacht, so muss ein/e Erwachsenenvertreter/in bestellt werden, wenn man selbst nicht mehr voll entscheidungsfähig ist und Rechtshandlungen erforderlich werden, weil ein Nachteil für sich selbst droht. Dh entweder man bestellt selbst (wenn man das Wesen einer Vollmacht zumindest noch in Grundzügen versteht und sich danach verhalten kann) oder das Gericht legt fest, wem in einem solchen Fall dann die Vermögensverwaltung, die Entscheidung über Wohnort, medizinische Eingriffe etc. zukommt. Das sind oft fremde Personen, regelmässig Erwachsenenschutzvereine, Rechtsanwälte oder Notare. Man selbst kann (vorab) einen Wunsch deponieren, wer Erwachsenenvertreter wird. Dieser Wunsch bindet das Gericht aber nicht in allen Fällen.

 

Seit 2007 gibt es dazu Alternativen. Demnach sind die nächsten Angehörigen vertretungsbefugt, wenn jemand nicht mehr voll entscheidungsfähig ist und Rechtshandlungen erforderlich werden, weil ein Nachteil für sich selbst droht. Diese Vertretungsbefugnis kann auch das Recht umfassen, im Rahmen des täglichen Lebens und der Pflege über die Einkünfte zu verfügen und sozialrechtliche Ansprüche geltend zu machen sowie medizinischen Behandlungen zuzustimmen.

 

 

Vertretungsbefugnis naher Angehöriger

 

Nächste Angehörige sind die Eltern und die (volljährigen) Kinder sowie der/die EhegattIn oder eingetragene PartnerIn und (nach mindestens 3jähriger Haushaltsgemeinschaft) der/die LebensgefährtIn; und auch Großeltern und (volljährige) Enkelkinder, Geschwister, Nichten und Neffen. Will ein/e Angehörige/r von der Vertretungsbefugnis Gebrauch machen, muss er/sie dies im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registrieren lassen und die fehlende Entscheidungsfähigkeit im gewünschten Vertretungsbreich durch ein ärztliches Zeugnis bescheinigen.

 

Diese gesetzliche Vertretungsbefugnis der nächsten Angehörigen ist allerdings beschränkt. Zum einen bedürfen dauerhafte Wohnortänderungen (zB in ein Pflegeheim oder von einem Pflegeheim weg) sowie Vermögensverfügungen, die über den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb hinausgehen, der gerichtlichen Genehmigung. In Zivilprozessen vertritt überdies jener nächste Angehörige alleine und ausschliesslich, der am schnellsten ist und die erste Prozesshandlung setzt. Und vor allem hat man in diesem Fall den Vertreter nicht selbst ausgewählt.

 

 

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2020-02-14|13:15 · von Dr. Helmut Graupner

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(c)Depositphotos/luckybusiness

Vorsorgevollmacht & Widerspruch

 

Diese Nachteile lassen sich vermeiden, wenn man eine Vorsorgevollmacht erteilt, mit der einer selbst gewählten Person (muss kein nächster Angehöriger sein) Vertretungsbefugnis für den Fall erteilt wird, dass man selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist. Diese Vollmacht kann umfassend oder eingeschränkt sei. Sie muss höchstpersönlich und schriftlich vor einem Notar oder vor einem Rechtsanwalt errichtet werden.

 

Die Vorsorgevollmacht muss im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden. Ebenfalls in diesem Register einzutragen ist ein Widerspruch gegen die Vertretungsbefugnis eines/r, mehrerer oder aller Angehörigen. Einen solchen Widerspruch kann man generell oder nur hinsichtlich bestimmter Angelegenheiten erheben. Hinsichtlich einzelner Angehöriger kann man ihn auch noch deponieren, wenn man nicht mehr entscheidungsfähig ist. Die Registrierung eines solchen Widerspruchs lässt die eingangs erwähnte gesetzliche Vertretungsbefugnis naher Angehöriger nicht eintreten oder beendet diese.

 

Mit Vorsorgevollmacht Bevollmächtigte werden – anders als Erwachsenenvertreter  – grundsätzlich nicht vom Gericht überwacht und kontrolliert. Sie müssen nur dann eine gerichtliche Genehmigung einholen, wenn sie den dauernden Wohnort der vertretenen Person ins Ausland verlegen wollen und wenn sie sich mit der vertretenen Person über medizinische Behandlungen nicht einig sind. Lässt man jedoch – auch wenn man sonst nicht entscheidungsfähig ist – erkennen, dass man von der bevollmächtigten Person nicht mehr vertreten sein will, endet die Vorsorgevollmacht und es muss ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt werden.

 

Aktuelles stets auf www.RKLambda.at, Facebook: RKL, und Twitter: @HelmutGraupner

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2020-02-14|13:14 · von Dr. Helmut Graupner

Dr. Helmut Graupner ist Rechtsanwalt in Wien, Präsident des Rechtskomitees LAMBDA (RKL), Co-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualwissenschaften (ÖGS) sowie Vice-President for Europe der International Lesbian and Gay Law Association (ILGLaw) und Co-Coordinator der European Commission on Sexual Orientation Law (ECSOL).

 

 

Dieser Beitrag erschien auch in XTRA!, Österreichs grösstem queeren Magazin (http://www.xtra-news.at/).

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