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Aus rechtlicher Sicht: Sex gegen Geld - ein Verstoß gegen "die guten Sitten"?

2019-05-15|14:46 · von RA Kanzlei Machac

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Mag. Arthur Machac ist selbstständiger Rechtsanwalt in Wien und wurde im Trend-Anwaltsranking 2019 unter die drei findigsten Strafverteidiger Österreichs gewählt.


Er gilt als einer der führenden Experten für das Suchtmittelgesetz in Österreich und ist Co-Autor des Buches Suchtmittelrecht für die Praxis, das mittlerweile in der zweiten Auflage erhältlich ist und einen leicht verständlichen Zugang zu der Materie legt. Kürzlich hat er eine kostenlose App zur Grenzmengenberechnung auf den Markt gebracht, die den Strafrahmen nach der Cannabismenge anzeigt: itunes.apple.com/us/app/grenzmengenrechner-smg/id1459127658?mt=8

Mag. Tina Mende ist seit 2015 Teil des Kanzleiteams und wird künftig in der Rubrik „Aus rechtlicher Sicht“ in kurzen Beiträgen rechtliche Auskunft rund um die Themen Prostitution, Suchtmittelrecht und Sexualstrafsachen geben.
Für weiterführende Informationen kontaktieren Sie: [email protected]

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2019-05-15|14:50 · von RA Kanzlei Machac

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Liebe Leser, mit der in der Überschrift gestellten Frage, soll an dieser Stelle keine Grundsatzdiskussion über Sittlichkeit und Tugend losgetreten werden, sondern die rechtliche Gültigkeit des Prostitutionsvertrages beleuchtet und damit die wichtige Frage nach der Einklagbarkeit des Prostituiertenlohns beantwortet werden.

Damit widmen wir uns einer grundlegenden Frage bei dem Abschluss von Verträgen und zwar jene der Durchsetzbarkeit rechtsgeschäftlich bedungener Ansprüche.

In dem Zusammenhang ist vorweg zu erklären, dass das österreichische Privatrecht vom Prinzip der Privatautonomie getragen ist. Dieses Prinzip besagt, dass Privatpersonen Rechtsgeschäfte weitgehend ohne gesetzliche Vorgaben frei – unter anderem inhaltlich und formfrei – gestalten können.
Die grundsätzliche Selbstbestimmung wird jedoch teilweise durch Formvorgaben bei bestimmten Arten von Rechtsgeschäften oder andere gesetzliche Vorgaben begrenzt. Eine solche Einschränkung wird meist mit dem Gedanken des (Übereilungs-)Schutzes einer Partei begründet. Eine die Inhaltsfreiheit begrenzende Schranke findet sich zB in § 879 ABGB (= Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch):

„Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.“

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2019-05-15|14:48 · von RA Kanzlei Machac

Wie ist nun die Rechtslage bei einem typischen Rechtsgeschäft des ältesten Gewerbes der Welt?


Bis der OGH (= Oberster Gerichtshof) in seiner Entscheidung vom 18.04.2012 zu GZ (= Geschäftszahl) 3 Ob 45/12g von seiner bisherigen Rechtsprechung abwich, wurde lange Zeit judiziert wie in GZ 3 Ob 516/89: Ein Vertrag über die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt sei ebenso sittenwidrig wie Verträge, die eine Teilnahme am Profit kommerzieller Ausbeutung der Sexualität bezwecken, denn iZm Prostitution werde häufig der Leichtsinn, die Unerfahrenheit, die Triebhaftigkeit und die Trunkenheit von Personen ausgenützt; bereits die Gefahr der Ausnützung dieser schutzwürdigen Personen sei bedenklich, selbst wenn dies im Einzelfall nicht zutrifft. Außerdem müsse ebenfalls die Gefahr der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsschutzes, sowie die Gefährdung familienrechtlicher Institutionen hintangehalten werden. Später, in der Entscheidung zu GZ 1 Ob 244/02t wurde diese Rechtsprechung in Bezug auf Telefonsexdienstleistungen relativiert: Sittenwidrigkeit sei hier nicht gegeben, da einerseits dem Wandel der Moralvorstellungen Rechnung getragen werden müsse und andererseits hierbei nicht der Intimbereich der Anbieterin oder des Anbieters zur Ware degradiert werde, sondern lediglich eine davon losgelöste „stimmlich darstellerische“ Leistung erbracht werde.

Im Zuge des Judikaturwandels im Jahr 2012 hat der OGH den Maßstab der Sittenwidrigkeit erneut beurteilt und dabei erkannt, dass zwar die allgemein anerkannten Moralvorstellungen grundsätzlich zu berücksichtigen sind, jedoch nur insoweit, als sie in der Rechtsordnung auch Niederschlag gefunden haben.

Gegenteiliges ist hier der Fall, da die Ausübung der Prostitution sogar in den verschiedenen Landesgesetzen reguliert und somit keinesfalls verboten ist.

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2019-05-15|14:47 · von RA Kanzlei Machac

Ein Prostitutionsvertrag verstößt somit nicht bereits an sich – wegen allgemeiner Moralvorstellungen o dgl – gegen die guten Sitten und haftet ihm grundsätzlich keine der Sittenwidrigkeit entspringende (relative) Nichtigkeit mehr an.


Er unterliegt im Ergebnis nur mehr – wie jedes andere Rechtsgeschäft auch – dem allgemeinen gesetzlichen Korrektiv, wenn etwa im Einzelfall tatsächlich der Leichtsinn etc. einer Vertragspartei iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ausgenutzt wurde.
Der Prostitutionsvertrag begründet bei erfolgter geschlechtlicher Handlung oder dessen Duldung somit eine klagbare Entgeltforderung. Umgekehrt kann trotz Bestehen einer solchen Vereinbarung nicht auf die tatsächliche Duldung oder Handlung des entsprechenden sexuellen Akts geklagt werden, denn dem widerspricht Art 8 EMRK, wonach jedermann – unter anderem – ein verfassungsgesetzlich garantiertes Recht auf Achtung seiner sexuellen Selbstbestimmung hat.

Die reine Entgeltforderung kann eingeklagt werden.
Die sexuelle Handlung kann nicht erzwungen werden.

Mag. Tina Mende

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