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Die Schande

2015-01-22|14:32 · von Dr. Helmut Graupner

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Vor über einem Jahr hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Österreich wegen der fehlenden Rehabilitation der Opfer der homophoben Strafgesetze verurteilt. Österreich ignoriert das Urteil. Das Totalverbot homosexueller Handlungen wurde in Österreich erst 1971 aufgehoben. Äusserst spät. Frankreich tat es beispielsweise 1789, die Niederlande 1811, Spanien 1822, Süditalien 1804 und die Türkei 1852. Und selbst 1971 waren Österreichs PolitikerInnen immer noch nicht zu dem bereit, was in all diesen anderen (und vielen mehr) Ländern bereits so früh durchgesetzt wurde: kein Unterschied im Strafrecht zwischen hetero- und homosexuellen Handlungen mehr.

Nein, in Österreich wurde ein Paragraf (das Totalverbot) abgeschafft und stattdessen vier neue eingeführt: eine Sondermindestaltersgrenze für schwule Kontakte von 18 Jahren (gegenüber 14 für Heterosexuelle und Lesben), ein Verbot der schwulen Prostitution, ein Verbot der öffentlichen Gutheißung von Homosexualität („Unzucht zwischen Personen des gleichen Geschlechts) und von Vereinigungen, die Homosexualität „begünstigen“.


Weit über 1.000 Opfer

Bis der Verfassungsgerichtshof (im Zuge der RKL-Klagsoffensive) 2002 endlich das letzte dieser Sonderstrafgesetze 2002 aufgehoben hatte, fielen ihnen 1.000 Personen zum Opfer. Und da sind nur die Verurteilten gezählt. Ein Vielfaches davon hatte unter den homophoben Strafgesetzen zu leiden, durch Polizeiermittlungen, durch Anklagen, durch Drohungen, Erpressungen oder schlicht die ständige Angst, erwischt und angezeigt zu werden.

Österreich hat sich nie für die homophobe Strafverfolgung entschuldigt, die Opfer nie rehabilitiert. Die Grünen haben bereits 2006 im Nationalrat das vom RKL verfasste Amnestie-, Rehabiltierungs- und Entschädigungsgesetz (AREG) eingebracht. Seither findet es dort keine Mehrheit und liegt im Justizausschuss gut ab.

Im November 2013 hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (im Zuge der RKL-Klagsoffensive) Österreich verurteilt, weil Opfer der homophoben Sonderstrafgesetze immer noch im Strafregister vorgemerkt sind; ihre homophoben menschenrechtswidrigen Verurteilungen immer noch als Vorstrafen gelten (E.B. ua gegen Österreich 2013).

Obwohl das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs (nicht nur nach der Europäischen Menschenrechtskonvention sondern auch nach der österreichischen Bundesverfassung) für Österreich bindend ist, geschieht: NICHTS. Immer noch sind 211 wegen der homophoben Sonderstrafgesetze Verurteilte im Strafregister vorgemerkt.


RKL schaltet den Europarat ein

Der Verfassungsgerichtshof verweist auf den Obersten Gerichtshof, der die Verurteilungen aufheben müsste. Der Oberste Gerichtshof sieht sich dazu nicht in der Lage und verweist auf die Politik. Und diese ist – seit über einem Jahr! – untätig!

Wir haben uns deshalb an das Ministerkomitee des Europarates gewandt, das für die Überwachung der Umsetzung der Urteile zuständig ist.

Und wieder einmal erweist sich. Die Politik in Österreich gewährt uns kaum etwas aus eigenem. Jeden Millimeter unserer Freiheit und unserer Menschenrechte müssen wir uns erkämpfen, und jetzt sogar auch noch die Einhaltung eines Urteils des Menschenrechtsgerichtshofs!

Und für diesen Kampf brauchen wir Eure Hilfe. Durch Mitgliedschaft, Spenden und/oder Mitarbeit (Infos auf www.rklambda.at/Mitgliedschaft).


Aktuelles stets auf www.RKL ambda.at, Facebook: RKL, und Twitter: @HelmutGraupner

Dr. Helmut Graupner ist Rechtsanwalt in Wien, Präsident des Rechtskomitees LAMBDA (RKL), Co-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS) sowie Vice-President for Europe der International Lesbian and Gay Law Association (ILGLaw) und Co-Coordinator der European Commission on Sexual Orientation Law (ECSOL).

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