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Homosexualität nicht mehr ehrenrührig

2014-04-06|18:53 · von Dr. Helmut Graupner

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Oberster Gerichtshof

Im Jänner 2014 hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass Homosexualität und homosexuelle Handlungen nicht mehr ehrenrührig sind und sich damit von seiner bislang ständigen Judikatur abgewandt.

Die frühere Frauenministerin Johanna Dohnal hatte noch erfolgreich die Verurteilung von Journalisten wegen „übler Nachrede“ erwirkt, die über ihre Homosexualität und ihre lesbische Beziehung geschrieben hatten.

Das geht jetzt nicht mehr. In einer gleichgeschlechtlichen Orientierung liegt nichts Ehrenrühriges, stellten die HöchstrichterInnen fest. Und homosexuelle Handlungen sind nicht anders zu beurteilen als heterosexuelle (OGH 23.01.2014, 12 Os 90/13x).


Nichts Ehrenrühriges

Damit kann im „Vorwurf“ der Homosexualität nichts Ehrenrühriges mehr liegen. Weder ist Homosexualität eine verachtenswerte Eigenschaft oder Gesinnung noch sind hmosexuelle Handlungen unehrenhaft oder verstoßen sie gegen die guten Sitten (§ 111 StGB).

Ist das nun so, dann ist auch die Drohung, die Homo- oder Bisexualität oder homosexuelle Handlungen eines/r anderen bekanntzumachen, keine gefährliche Drohung mehr. Denn „gefährlich“ im Sinne des Gesetzes ist nur eine Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen (§ 74 StGB). Und nur „gefährliche“ Drohungen können die Straftatbestände der (sexuellen) Nötigung (§§ 195, 201f StGB) und der Erpressung (§ 144 StGB) erfüllen.

Konsequenterweise hat der OGH die Verurteilung eines Mannes wegen sexueller Nötigung aufgehoben, der junge Männer mit der Drohung zu sexuellen Kontakten gebracht hatte, er werde ihre Homosexualität bekannt machen.

So erfreulich das Ende des Ehrenrührigkeitsstigmas ist, so problematisch ist die Schutzlücke, die sich nun auftut. Zwangsouting und die Drohung damit sind auf einen Schlag entkriminalisiert, selbst wenn damit sexuelle Handlungen oder Geld erzwungen werden.


Straffreie Vergewaltigungen & Erpressungen

So wie auch bisher schon Drohungen mit der Preisgabe von Nacktfotos, von Erkrankungen oder Behinderungen (bspw. Hiv-Infektion) oder des Gehörens zu einer bestimmten Religion oder des Austritts aus derselben, straffrei war.

Solche Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs und deren Androhung stellen freilich ganz gravierende und verwerfliche Eingriffe in die Grundrechte eines Menschen dar, ganz besonders wenn sie als Druckmittel zur Erlangung sexueller Handlungen bzw. finanzieller Leistungen eingesetzt werden. Der Staat hat die menschenrechtliche Verpflichtung, vor derartigen Verletzungen wirksam zu schützen.

Die Politik muss, wie ich das bereits im Vorjahr in einer Anhörung des Justizministeriums zur geplanten Strafrechtsreform gefordert habe, umgehend einen Straftatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs (Bloßstellung) schaffen und Drohungen mit Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs zu (strafbaren) gefährlichen Drohungen erklären, damit Vergewaltigungen und Erpressungen mittels derartiger Drohungen verfolgt werden können.

Aktuelles stets auf www.RKL ambda.at.

Dr. Helmut Graupner ist Rechtsanwalt in Wien, Präsident des Rechtskomitees LAMBDA (RKL), Co-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS) sowie Vice-President for Europe der International Lesbian and Gay Law Association (ILGLaw) und Co-Coordinator der European Commission on Sexual Orientation Law (ECSOL).

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